Der Rotulus im Gebrauch. Einsatzmöglichkeiten, Gestaltungsvarianz und Aussagekraft einer Quellengattung

Tagung an der Bergischen Universität Wuppertal (21.-23. September 2016)

Der Rotulus im Gebrauch
Einsatzmöglichkeiten, Gestaltungsvarianz und Aussagekraft einer Quellengattung

Il rotulus in uso
Possibilità di utilizzo, poliedricità e forza espressiva di una tipologia di fonte scrittoria

Gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung

Programm:

Mittwoch, 21.09.2016

Sektion 1: Annäherung an eine Quellengattung: Gebrauchsfelder und Darstellungen (Sektionsleitung am Vormittag Andreas Meyer, am Nachmittag Maria Pia Alberzoni)

9.00     Einleitung
Jochen Johrendt

9.35     Entrollte Liturgie. Rotuli für Exsultet und Litanei, Messformular und Schatzverzeichnis
Jörg Bölling

10.20   Pilgerführer und literarische Aufführungstexte in Form von Rotuli
Nine Miedema

Kaffeepause (11.05-11.30)

11.30   I „Rotuli dei lettori“ dello Studium di Bologna
Berardo Pio

12.15   Die Welt im Fluss – eine Universalchronik in Rotulusform
Elena Vanelli

Mittagspause (13.00-14.00)

14.00   I rotoli della canonica e del monastero di S. Ambrogio nei secoli XII-XIII: tipologia ed esempi
Miriam Tessera

14.40   Note in margine al rotulus ASV, A.A., Arm. I-XVIII, 3913: la costruzione di un documento processuale
Pietro Silanos

15.20   AMS AA 275, fol. 5 – ein portables Missivenbuch? Überlegungen zur pragmatischen Schriftlichkeit während der Burgunderkriege
Bastian Walter-Bogedain

Kaffeepause (16.00-16.30)

16.30   Scritture su rotolo nell’archivio abbaziale di San Benigno di Fruttuaria
Alfredo Lucioni

17.10   Il rotolo San Domenico 77/7411: analisi paleografico-diplomatistica di un inedito actum giudiziario 
Annafelicia Zuffrano

17.40   Il rotolo San Domenico 77/7411: storia di un processo bolognese (fine XIII-inizio XIV secolo)
Lorenza Iannacci

Donnerstag, 22.09.2016

9.00     Eröffnung der Ausstellung einiger Rotuli aus der Privatsammlung von Prof. Dr. Mark Mersiowsky in der Universitätsbibliothek Wuppertal (Foyer der Universitätsbibliothek)

Sektion 2: Der Rotulus als materielle Perspektive auf Rationalisierung und Verdich­tung am Übergang vom Hoch- zum Spätmittelalter (Sektionsleitung am Vormittag Étienne Doublier und am Nachmittag Federico Gallo)

2.1 Der administrative und wirtschaftliche Wandel vom 12. zum 13. Jahrhundert

9.45     Frühe Rotuli aus der Finanzverwaltung: Ein Überblick
Mark Mersiowsky

Kaffeepause (10.30-10.55)

10.55   Pragmatic methods of record-keeping? The English chancery rolls between the thirteenth and the fourteenth centuries
Barbara Bombi

11.40   Tracce di rotuli nella documentazione inquisitoriale italiana (secc. XIII-XIV)
Riccardo Parmeggiani

Mittagspause (12:25-13:25)

2.2 Der Wandel im administrativen Bereich: Rotulus und Codex

13.25   Das Urbar als Rotulus. Eine regionale Sonderform? Zum Habsburger Urbar vom Ende des 13. Jahrhunderts
Christian Lackner

14.05   Die Rotuli von St. Viktor in Xanten als Moment des aktiven Zugriffs auf Ressourcen
Jochen Johrendt

14.45   Tra rotulus e codex: l’amministrazione del comune di Bergamo nel XIII secolo
Lucia Dell’Asta

Kaffeepause (15.25-15.50)

15.50   Rotulus und Herrschaftsverdichtung am Beispiel der Güterliste Philipps von Heinsberg
Étienne Doublier

16.30   La donazione di Bernabò Visconti agli ospedali milanesi (1359): rotoli nell’archivio dell’Ospedale Maggiore
Paolo M. Galimberti

17.10   The roll n. 3 of Arezzo’s Church: law and memory in the Regnum Italiae (IX-XI centuries)
Igor Santos Salazar

17.40   Entwicklung und Erinnerung eines Verfahrens kaiserlicher Delegierter in einem Rotulus aus Vercelli
Alberto Spataro

Freitag, 23.09.2016

Sektion 3: Folgen für die archivalische und editorische Bewahrung/Aufbereitung (Sektionsleitung Irmgard Fees)

9.00     Der Rotulus aus der Perspektive des Archivs – Verwahrung, Digitalisierung, Verzeichnung und Bereitstellung
Francesco Roberg

9.45     Erhalt und Benutzung als Ziele: konservatorisch-restauratorische Behandlung und digitale Bereitstellung der Rotuli im Landesarchiv NRW
Johannes Burkardt

Kaffeepause (10.30-10.55)

10.55   L’archivio di Stato di Perugia e il progetto di digitalizzazione
Pier Maurizio della Porta

11.40   Materialität in die Edition übersetzen – Benutzerspuren als Editionsgegenstand aus editionswissenschaftlicher Perspektive
Ursula Kocher

12.25   Schlussdiskussion

Tagungsort:
Bergische Universität Wuppertal
Raum: O.07.24
Gaußstraße 20
42119 Wuppertal

Kontakt:
Sekretariat Mittelalterliche Geschichte
mittelalter@uni-wuppertal.de
Raum N.10.08
Gaußstraße 20
42119 Wuppertal

Rotuli – Papyrus-, Pergament- oder Papierstücke in Form von Rollen – sind in fast jedem Archiv Europas überliefert. Sie waren als Medium der Informationsspeicherung und -anpassung vor allem als Instrument der Administration im Gebrauch. Die internationale Tagung wird sich mit dieser Quellengattung in drei Perspektiven auseinandersetzen, den Einsatzmöglichkeiten und jeweiligen kontextspezifischen Fähigkeiten der Rotuli, ihrem Einsatz in administrativ-wirtschaftlichen Zusammenhängen und schließlich dem Komplex ihrer Bewahrung, Restaurierung, Digitalisierung und Aufarbeitung sowohl in Archiven/Bibliotheken als auch in gattungsspezifischen Editionen.

I rotuli – strisce di papiro, pergamena o carta arrotolate fino a costituire, appunto, un rotolo – sono una tipologia di fonte rinvenibile in pressoché tutti gli archivi europei. Essi erano utilizzati in primo luogo come supporti per la registrazione e l’aggiornamento di informazioni nonché come strumenti amministrativi. Il convegno internazionale si confronterà con questa tipologia di fonte da tre differenti prospettive: le possibilità di utilizzo e le potenzialità specifiche dei rotuli nei singoli contesti d’impiego, l’uso di essi in ambito economico-amministrativo e, infine, la loro conservazione, restaurazione, digitalizzazione e fruizione presso archivi e biblioteche, come pure la realizzazione di edizioni che tengano conto delle specificità della tipologia di fonte.

Flyer der Veranstaltung und Link auf die Homepage der Bergischen Universität Wuppertal.

16. interdisziplinäre Sommerakademie des Zentrums für Mittelalter- und Renaissancestudien

Die artes magicae

19. – 22 .September 2016

Die septem artes liberales bildeten den Grundstock mittelalterlicher Ausbildung und fungierten zugleich als Ordnungsprinzip für den Lehrstoff und als Voraussetzung für die höhere Bildung. Eine weitere Gruppe von Disziplinen, die in Analogie zu den freien Künsten im Spätmittelalter und in der Frühneuzeit eine ähnliche Systematik erfahren sollte, stellen die sogenannten artes magicae oder prohibitae dar. Dazu zählten Nekromantik, Geomantie, Hydromantie, Aeromantie, Pyromantie, Chiromantie und Skapulimantie, doch war das Spektrum der Disziplinen, die vorwiegend der Prognostik galten, wesentlich breiter gefächert. Obwohl sie von kirchlicher Seite verboten waren, prägten sie die Wissenskultur in Mittelalter und Renaissance.

Das Thema steht dieses Jahr im Mittelpunkt der Sommerakademie des ZMR, die sich an fortgeschrittene Studierende sowie an Promovierende richtet, die sich in München oder an auswärtigen Universitäten mit Mittelalter und Renaissance beschäftigen.

Die Akademie wird von Alessia Bauer und Wilhelm Heizmann (Institut für Nordische Philologie) veranstaltet. Beteiligt sind die Fächer Anglistik, Arabistik, Byzantinistik, germanistische Mediävistik, Japanologie, Lateinische Philologie des Mittelalters, Mittelalterliche Geschichte, Mittelalterliche Jüdische Geschichte, Rechtsgeschichte und Skandinavistik.

Einen Überblick über die geplanten Lehreinheiten finden Sie hier.

Es besteht die Möglichkeit, sich die Veranstaltung in Absprache mit den Dozenten der jeweiligen Fächer als Übung oder Hauptseminar anrechnen zu lassen.

Vor Beginn der Veranstaltung wird ein Reader mit den wichtigsten Texten erstellt. Sie erfahren rechtzeitig per Mail, wo dieser verteilt wird.

Die Anmeldung richten Sie bitte mit Angabe Ihrer Studienfächer und Ihrer Fachsemesterzahl bis zum 15. Juli 2016 an Dr. Alessia Bauer.

Tagung: Objekte und Objekthaftigkeit in der Hildesheimer Kunst des 12. und 13. Jahrhunderts

Die „Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft“ ist eine der ältesten deut­schen Wissenschaftsgesellschaften mit Sitz in Bonn. Sie hat sich zum Ziel ge­setzt, in Bewahrung ihres im katholischen Glauben wurzelnden Gründungsauf­tra­ges wissenschaftliches Leben auf den verschiedenen Fachgebieten anzuregen und zu fördern und die Gelegenheit zum interdisziplinären Austausch zu bieten. Die 119. Generalversammlung der Görres-Gesellschaft findet dieses Jahr vom 17.09.-20.09. in Hildeheim statt.

Sektion für Kunstgeschichte
der 119. Generalversammlung der Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft in Hildesheim, 17.09.–20.09.2016

Programmauszug

-Samstag, 17. September 2016, VHS, Riedelsaal, Pfaffenstieg 4-5

18.00 Uhr            Einführungsvortrag von Prof. Dr. Michael Brandt, Hildesheim: Columna S. Barwardi. Kunst und Kult im hochmittelalterlíchen Hildesheim

-Sonntag, 18. September 2016

14.00 Uhr bzw. 14.30 Uhr/15.30 Uhr: Führungen durch St. Michael bzw. den Hildesheimer Dom bzw. das Dommuseum Hildesheim

ab 19.30 Uhr: Treffen der Sektion Kunstgeschichte im Os-Marktrestaurant, Am Markt 7, 31134 Hildesheim

Sektion für Kunstgeschichte 

-Montag, 19. Sept. 2016, Universität Hildesheim, Raum I 010

Rahmenthema: „Objekte und Objekthaftigkeit in der Hildesheimer Kunst des 12. und 13. Jahrhunderts“

9.00 Uhr              Prof. Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck, Bonn: Einführung

9.15 Uhr              Dr. Dorothee Kemper, Kiel: Künstlerische Strategien zur Verdinglichung des Heiligen am Beispiel Hildesheimer Reliquiare des 12. Jahrhunderts

10.00 Uhr            Prof. Dr. Klaus Niehr, Osnabrück: Verhüllen und Öffnen. Zum Klappaltärchen aus dem Welfenschatz

10.45 Uhr            Pause

11.00 Uhr            Dr. des. Joanna Olchawa, Osnabrück: „Handlungsmacht“ und Hildesheimer Bronze-Objekte des Hochmittelalters. Ein praxeologischer Forschungsansatz

11.45 Uhr            Dr. des. Esther-Luisa Schuster, Bonn, Nadia Thalguter M.A., Hildesheim: „Das verlorene Objekt“. Neue Forschungen zur Wandmalerei im Westbau des Hildesheimer Doms

12.30 Uhr            Mittagspause

14.00 Uhr            Prof. Dr. Thomas Vogtherr, Osnabrück: Bemerkungen zum Hildesheimer Oswald-Reliquiar aus historischer Sicht

14.45 Uhr            Kaffeepause

15.00 Uhr            Dr. Florian Wöller, München: Bild, Leib, Objekt. Bemerkungen zur Liturgie der Eucharistie im Spätmittelalter


Gesamtprogramm, Anmeldung und weitere Informationen unter www.goerres-gesellschaft.de

Anmeldungen zur Teilnahme an der Generalversammlung bitten wir möglichst um­­gehend, spätestens bis Ende August 2016 vorzunehmen.

Der Besuch der Vorträge ist unentgeltlich. Bei­ratssitzung und Mitgliederver­samm­lung sind nur Mitgliedern zugänglich.

Für den Besuch der Generalversammlung der Görres-Gesellschaft in Hildesheim vom 17. bis 20. September, insbesondere der Sektion für Kunstgeschichte zum Thema „Objekte und Objekthaftigkeit in der Hildesheimer Kunst des 12. und 13. Jahrhunderts“ und verbundener Vorträge und Begehungen, schreibt die Görres-Gesellschaft einige Reisestipendien von je 200 Euro aus. Sie sind für Studierende gedacht, die an ihren Master- oder Doktorarbeiten arbeiten und über kein eigenes berufliches Einkommen verfügen. Bitte senden Sie Ihre Bewerbung mit den üblichen Unterlagen (CV, Kurzvorstellung des Themas der Abschlussarbeit) bis zum 20.8.2015 an den Sektionsleiter:

Prof. Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck, Kunsthistorisches Institut, Universität Bonn, Regina-Pacis-Weg 1 (Residenzschloss), D 53113 Bonn, email: hwolter@uni-bonn.de

CfP: 40. Kölner Mediaevistentagung

40. Kölner Mediaevistentagung, 13. – 16. September 2016 Irrtum

Error – Erreur

Am Irrtum scheiden sich – buchstäblich – die Geister. So hält es etwa Thomas von Aquin für die vorzügliche Aufgabe des Weisen, die Wahrheit zu bekennen und den der Wahrheit entgegenstehenden Irrtum zu bekämpfen. Ebenso betont er mit dem bekannten Adagium, daß „ein kleiner Irrtum am Anfang am Ende zu einem großen wird“ („parvus error in principio magnus est in fine“), die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prinzipienreflexion in den Wissenschaften. Andererseits stimmt Thomas in das Lob des Aristoteles über diejenigen ein, die uns in der Suche nach der Wahrheit vorangingen und deren Beitrag unerläßlich für die Wahrheitssuche bleibt, auch wenn sie sich möglicherweise in der Sache irrten. Denn die menschliche Vernunft ist nicht zuletzt wegen ihrer Irrtumsbehaftetheit auf diese gemeinsame, generationsübergreifende Wahrheitssuche angewiesen. Damit scheint der Irrtum ein unumgänglicher Bestandteil eines wissenschaftlichen Fortschrittsbewußtseins. Kurz: „Wir irren uns empor“ (Gerhard Vollmer).

Doch was ermöglicht und garantiert die Unterscheidung von Wahrheit und Irrtum? Was sind die Kriterien einer solchen Unterscheidung? Wer ist unter welchen Bedingungen in der Lage und berechtigt, den Irrtum zu erkennen und als einen solchen festzustellen? Und welche Instanzen sind an dieser Unterscheidung beteiligt und hierfür legimitiert?

Hier tut sich ein breites Problemfeld auf, das sich zunächst aus dem Antagonismus von Irrtum und Wahrheit ergibt. Denn wie man von einer logischen und von einer epistemischen Wahrheit sprechen und diese von einer ontologischen und metaphysischen Wahrheit unterscheiden kann, wie man die hermeneutische der dialektischen Wahrheit gegenüberstellen, und wie man nach einer historischen, nach einer theologischen oder nach einer praktischen Wahrheit fragen kann etc., so kann man auf allen diesen Ebenen den Irrtum als Gegenbegriff zur Wahrheit vorfinden. Doch worauf bezieht sich der Irrtum? Was heißt es, sich zu irren? Hier differenziert sich das Wortfeld auch bedeutungsmäßig deutlich aus: So steht etwa dem Irrtum (error) das Nichtwissen (nescientia) oder die Unkenntnis (ignorantia) gegenüber. Damit sind unterschiedliche Niveaus des Irrtums angesprochen, die vom leicht zu behebenden Mißverständnis über einen durch umfassende Information oder durch wissenschaftliche Bemühung zu behebenden Mangel bis hin zu einem grundlegenden Dissens reichen, der nur mit Mühe, mitunter auch gar nicht oder nur gewaltsam aufgelöst werden kann. Anders als bei der Falschheit liegt beim Irrtum der besondere Akzent darauf, daß jemand seine epistemische Pflicht verletzt, z.B. weil er methodisch nicht sauber gearbeitet oder wichtige Fakten übersehen hat, die er hätten kennen können.

Die 40. Kölner Mediaevistentagung möchte – aus der Perspektive des Irrtums und damit aus der Perspektive der Störung, der Irritation und des Nichtgelingens – einen Blick auf die Möglichkeiten menschlichen Erkennens und Wissens sowie der daraus folgenden menschlichen Praxis werfen, ferner auf die institutionellen und historischen Bedingungen epistemischer Formationen, auf die unterschiedlichen Formen der Artikulation und des Umgangs mit Dissens und Mißlingen unter besonderer Berücksichtung der spezifischen Rahmenbedingungen jenes Milleniums, das wir aus abendländischer Perspektive als Mittelalter bezeichnen. Zu diesen Rahmenbedingungen zählen insbesondere die Fortdauer und Rezeption der hellenistisch-spätantiken Bildungstradition als des gemeinsamen Bezugspunktes für den interkulturellen Austausch und das in allen Kulturen gleichermaßen bedeutsame Spannungsfeld religiöser und theologischer Kontexte in Bezug auf die unterschiedlichen Wissensdiskurse. Daraus erwachsen charakteristische neue Konfliktfelder und unterschiedliche Lösungen für den Umgang mit als Irrtum qualifiziertem Dissens.

(1) Im Mittelpunkt steht der Schlüssel- und Referenzbegriff Irrtum und seine terminologischen Äquivalente. Doch welche begrifflichen Äquivalente gibt es? Daher gilt eine besondere Aufmerksamkeit dem Begriffsfeld von Irrtum in den unterschiedlichen – linguistischen, aber auch wissenschaftlichen, religiösen, fiktionalen etc. – Sprachen. Denn es ist die Begrifflichkeit, die den jeweiligen Bedeutungskontext für die Definitionsfrage erschließt, was unter Irrtum zu verstehen ist, bzw. worin der Irrtum besteht.

(2) Unstrittig sind die Praktiken, den festgestellten Irrtum zu korrigieren oder zu bekämpfen: sei es argumentativ, sei es disziplinarisch. In diesem Zusammenhang sind Irrtumslisten und Correctoria von hohem heuristischem Wert; sie bieten nicht nur wichtiges Material für das Verständnis konfligierender Diskurse, sondern vermitteln auch Einsicht in die zugrundeliegenden Kontrollmechanismen und -institutionen und in die entsprechenden Gegenreaktionen. In welchem Zusammenhang stehen diese Praktiken zu den epistemischen Pflichten, den Irrtum zu vermeiden oder zu beheben?

(3) Eine besondere Zuspitzung erfährt die Irrtumsfrage durch religiöse bzw. theologische Wahrheitsansprüche, die entweder einander widersprechen oder zu wissenschaftlichen Lehrmeinungen in einen Widerspruch treten. Hier tut sich ein weites Feld von Irrtum, Zensur und Rechtfertigung, von Häresie und Anathem auf, das spezifische Regularien und Praktiken hervorgebracht hat. Dies gilt nicht nur für kirchliche und religiöse Institutionen, sondern auch für die Universitäten. Und welche Ähnlichkeiten oder Unterschiede zeigen sich im interkulturellen und interreligiösen Vergleich?

(4) Doch wie steht es um die veritative Kraft des Irrtums? Der Irrtum verweist positiv auf die Fähigkeit der Unterscheidung. Was ist die Voraussetzung für diese Fähigkeit? Bedarf es hierzu eines unstrittigen Referenzpunktes, der irrtumslos – möglicherweise von jedem Menschen – eingesehen werden kann?

(5) Die Unterscheidung zwischen einer falschen, irrigen und einer richtigen, wahren Meinung bildet die Grundlage jeder wissenschaftlichen Disputation. In der erfolgreichen Widerlegung einer falschen Meinung, im Erweis des Irrtums liegt ein Erkenntnisfortschritt. Hier liegt die produktive Kraft des Irrtums. Gedankenexperimente wie auch naturwissenschaftliche Experimente, die mit falsifikatorischen Strategien arbeiten, sind ein wichtiger Bestandteil veritativer Verfahren. Doch in welchem Maße wird diese Methodik reflektiert und als wissenschaftlicher Fortschritt interpretiert? Gibt es ein Lernen aus Irrtürmern?

(6) Zweifelsohne ist der Irrtum eine anthropologische Kategorie. Er prägt auch das menschliche Handeln. Doch was ist eine irrige Handlung? Irrt der Wille oder verweist der Irrtum auf die kognitive Komponente im Handeln und Entscheiden? In welchem Verhältnis stehen Irrtum und Täuschung? Welche Auswirkung hat der Irrtum auf die Schuldfähigkeit des Menschen; inwieweit kann Unwissenheit als Schuldausschlußgrund gelten?

Auch wenn diese Fragen aus einer primär theoretischen Perspektive gestellt sind, so ist es doch auch das erklärte Ziel der 40. Kölner Mediaevistentagung, die Fragestellung des Generalthemas in der ganzen interdisziplinären Breite zu behandeln: (i) etwa anhand literarischer Stoffe und Exempel und ihrer möglichen argumentativen Strategien der Visualisierung; (ii) mit Bezug auf den technischen Fortschritt in einer ars, der auf der Korrektur einer zunächst fehlerhafte Lösung beruht; (iii) hinsichtlich der politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen irriger Entscheidungen; (iv) mit Blick auf die Konflikte, die sich beim Kampf gegen den vermeintlichen Irrtum ergeben. Vermögen wir aus Irrtümern zu lernen? Diesen Verständnisweisen von Irrtum in ihren verschiedenen Facetten, in der lateinischen und griechisch-byzantinischen, in der arabischen und hebräischen Tradition, in der Laien- und der Gelehrtenwelt, aber auch in der Alltagskultur nachzugehen rückt ein Thema in den Mittelpunkt, das zumeist nur als Gegenbegriff zur affirmativ verfaßten epistemischen und praktischen Grundeinstellung gesehen wird. Der Irrtum hat es bekanntlich schwer!

Daher möchten wir Philosophen und Theologen, Historiker und Philologen, Literaturwissenschaftler und Kulturwissenschaftler, Kunst- und Wissenschaftshistoriker etc. einladen, sich mit einer geeigneten Fragestellung aus ihrem Fachbereich oder mit einer interdisziplinären Problemstellung an der 40. Kölner Mediaevistentagung zu beteiligen. Unser Ziel ist es, bisherige Sehgewohnheiten in Frage zu stellen und zu überdenken und neue Perspektiven zu eröffnen. Hierbei ist der größere Zusammenhang ebenso gefragt wie das mikrologische Detail, die Kontinuität wie die Diskursverzweigung.

Mit der kommenden 40. Kölner Mediaevistentagung begehen wir ein kleines Jubiläum. Zugleich blicken wir auf über 65 Jahre mediävistische Forschung zurück, die unter denselben Gelingensbedingungen steht wie alle Wissenschaft. Dieser Frage wollen wir in einem der Mediaevistentagung wiederum vorgeschalteten Kolloquium am 12. September 2016 ausdrücklich nachgehen.

Ich möchte mit der Bitte schließen, uns Ihre Vorschläge nach Möglichkeit bis zum 13. September 2015 (neue, verlängerte Frist für die Einreichung) zuzusenden (thomas-institut(@uni-koeln.de). Ganz besonders würde ich mich freuen, Sie im kommenden Jahr zur 40. Kölner Mediaevistentagung begrüßen zu können. Bitte leiten Sie diese Einladung gerne auch an Kolleginnen und Kollegen weiter, die noch nicht in unserer Adressendatei stehen oder lassen Sie uns die Adresse möglicher Interessenten zukommen. Herzlichen Dank!

In der Erwartung Ihrer Vorschläge verbleibe ich mit den besten Grüßen,

Köln, 8. April 2016

Andreas Speer

Wissenschaftliche Leitung und Organisation:
Prof. Dr. Andreas Speer (andreas.speer@uni-koeln.de)
Dr. Maxime Mauriège (mauriegm@uni-koeln.de)

Thomas-Institut der Universität zu Köln
Universitätsstraße 22
D-50923 KÖLN

Tel.: +49/(0)221/470-2309
Fax: +49/(0)221/470-5011
Email: thomas-institut@uni-koeln.de

www.kmt.uni-koeln.dewww.thomasinst.uni-koeln.de

Hier finden Sie den CfP auf englisch und französisch.

Internationale Tagung „Die Welt des Frater Felix Fabri“

Im Jahr 2016 wird die Stadtbibliothek Ulm 500 Jahre alt. Sie wird dies mit
einem umfangreichen Jubiläumsprogramm feiern. Eine der Veranstaltungen, die
sich auf den historischen Bestand der Bibliothek bezieht, hat mit dem
dreibändigen Autograph des Ulmer Dominikanermönchs Felix Fabri zu tun, der
1480 und 1483/84 zweimal ins Heilige Land pilgerte, zweimal heimkehrte und
in den Jahren 1485 bis 1488 in zwei Bänden sein *Evagatorium in Terrae
Sanctae, Arabiae et Egypti peregrinationem* schrieb. Der dritte Band seines
Autographs enthält mit dem *Tractatus de civitate Ulmensi* den ersten
Versuch einer systematischen Stadtbeschreibung nördlich der Alpen und die
älteste Stadtchronik Ulms. Zu seinem Werk wird am 9./10. September in Ulm
eine internationale Tagung stattfinden.

Nähere Informationen können Sie dem Flyer entnehmen.

Bitte um Mitwirkung: Internationales, offenes Mediävisten-Netzwerk trifft sich im September in Essen

CARMEN worldwide network of medievalists www.carmen-medieval.net

bringt als weltweit agierendes Netzwerk von Mediävisten verbindet Forschungsinstitute, Universitäten, Gruppen und Einzelforscher von allen Kontinenten und steht über Verbände – wie auch den Mediävistenverband – mit einer großen Zahl von mediävistisch tätigen Wissenschaftlern in Verbindung. Ziel des Zusammenschlusses ist es, die Zusammenarbeit in kleineren und größeren Projektverbünden zu befördern und neuen internationalen Projekten auf den Weg zu helfen. Formelle Mitgliedschaft ist nicht erforderlich, ein Mitgliedsbeitrag wird nicht erhoben.
Das jährlich im September stattfindende Jahrestreffen hat vor allem drei Aufgaben:

– im Market Place Informationen über laufende und geplante Projekte und damit Anknüpfungspunkte für grenzüberschreitende Kooperationen auszutauschen

– Informationen über Fördermöglichkeiten zu sammeln und zu verbreiten

– Anstöße für thematische Arbeit zu geben.

Jeder interessierte Mediävist/ jede interessierte Mediävistin kann sich (leider auf eigene Kosten, gerne abgesandt von einem Projekt, einem Institut) beteiligen, indem er/ sie einen Stand auf dem Marktplatz einrichtet, auf dem Marktplatz und darüber hinaus mit anderen ins Gespräch kommt, mitdiskutiert und an kleinen thematischen Workshops teilnimmt oder sie (in begrenztem Umfang) selber (mit)gestaltet.

Als Schwerpunktthema des kommenden Jahrestreffens am 9. und 10. September an der Universität in Essen greifen wir mit “futures“ ein Thema auf, das „in der Luft liegt“ und das sich in vielfältiger Weise und Richtung ausgestalten lässt – doch Vorschläge für thematische Workshops sind auch zu ganz anderen Themenbereichen willkommen. Die Verständigungssprache des Treffens ist Englisch; im Frühling/ Frühsommer wird ein vorläufiges Programm erstellt, das jede/r erhalten kann, die/ der ihr sein Interesse bekundet. Bei Interesse und jeglicher Nachfrage möge man sich wenden an felicitas.schmieder@fernuni-hagen.de

Tagung: Bilderwelten erschließen. 30 Jahre „Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters“

München, Bayerische Akademie der Wissenschaften / Alfons-Goppel-Str. 11 / 80539 München
Sitzungssaal 1, 07. – 09.09.2016

Seit 30 Jahren beschäftigt sich der „Katalog der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters“ (KdiH) mit der wissenschaftlichen Erschließung von Text-Bild-Zusammenhängen. 1986 erschien die erste Lieferung des KdiH. Feiern Sie den 30. Geburtstag des Katalogs mit uns und kommen Sie zu unserer Tagung. Für alle Teilnehmenden an der Tagung ist auch ein Besuch der zeitgleich stattfindenden Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek „Bilderwelten – Buchmalerei zwischen Mittelalter und Neuzeit“ geplant.

Literarische Stoffe (im Französischen: matières) können im Mittelalter nicht nur durch ihre Verarbeitung im Text, sondern auch durch ihre Illustration und Übertragung in die Volkssprache neu interpretiert und aufgefasst werden. Bei der Deutung von Texttraditionen spiegeln sich unter anderem aktuelles Wissen, moralische Auslegungen, neueste Reflexionen oder sogar Umdeutungen wider. Dieser Text- und Bilderschließung von literarischen Traditionen im deutschsprachigen Raum sollen sich Vortragende bei der Jubiläumstagung des KdiH widmen. Dabei können langfristig wirkende, ikonographische und literarische Traditionen oder kurzfristig auftauchende Einzelphänomene oder Experimente Gegenstand sein. Die Übertragung von Bildern und deutschsprachigen Texten in den frühen Buchdruck kann ebenso betrachtet werden wie mittelalterliche
Text-Bild-Kombinationen, die über das Medium der Handschrift hinaus auf andere Objekte oder Medien verweisen (Kleinplastiken, Kleidung, Wandmalerei, Einblattholzschnitte etc.). Ausgangspunkt der Überlegungen soll jedoch der in Handschriften überlieferte Text – von Gebrauchsliteratur über literarische Stoffe bis zu sakralen Texten – mit seinen möglichen Visualisierungs- und Erschließungsstrategien im deutschsprachigen Kontext bleiben.

Tagungsprogramm „Bilderwelten erschließen. 30 Jahre KdiH“
http://kdih.badw.de/aktuelles.html
Bayerische Akademie der Wissenschaften, Sitzungssaal 1 / Abendvortrag:
Plenarsaal

Mittwoch, 7.9.2016

13.30-13.45
Jan-Dirk Müller, München: Begrüßung
Norbert H. Ott, München: Einführung

Grenzfälle in Bild und Text

13.45-14.30 Elmar Hofman, Münster
Übersehene Bedeutungsträger. Text- und Wappensammlungs-Verhältnisse in mittelalterlichen deutschsprachigen Manuskripten

14.30-15.15 Margit Krenn, Heidelberg
Männer wie Fallobst. Bilder ohne (Kon-)Text?

15.15-15.45 Isabel von Bredow, München
Hinführung zur Ausstellung: Werkstattgespräch „Gebetbücher“

Moderation: Falk Eisermann, Berlin

15.45-16.00 Pause

16.30-18.30 Bayerische Staatsbibliothek München
Claudia Fabian und Karl-Georg Pfändtner: Begrüßung und Einführung in die Ausstellung
Gemeinsamer Ausstellungsbesuch „Bilderwelten. Buchmalerei zwischen Mittelalter und Neuzeit“

Donnerstag, 8.9.2016

Grenzfälle in Bild und Text

9.00-9.45 Thomas Flum, Bamberg
Engelsturz und Genesis am Nordportal des Freiburger Münsterchors. Zum medialen Transfer am Oberrhein im 14. Jahrhundert

9.45-10.15 Franziska Stephan, München
Werkstattgespräch „Losbücher“

Moderation: Ulrike Bodemann, München

10.15-10.45 Pause

Verklammerungen von Bild und Text

10.45-11.30 Wiebke Ohlendorf, Braunschweig
Der ‚wurt’ und die ‚künigin’. Über das Verhältnis von Titulus und Bild im Parzival

11.30-12.15 Sabine Griese, Leipzig
Visualisierung des Wissens – Forschungsdaten zum „Werkstattverbund“ um Diebold Lauber, digitalisiert und vernetzt

Moderation: Lieselotte E. Saurma, Heidelberg

12.15-13.30 Mittagspause

Verklammerungen von Bild und Text

13.30-14.00 Kristina Domanski, Basel
Werkstattgespräch „Karl der Große“

14.00-14.45 Angila Vetter, Kiel und Sebastian Holtzhauer, Osnabrück
‚Gotes ere‘ und ‚der werlde pris‘. Retextualisierung der ‚Kindheit Jesu‘ Konrads von Fußesbrunnen im Evangelienwerk des Österreichischen Bibelübersetzers

14.45-15.30 Tünde Radek, Budapest
Bilderwelten in der Rezeptionsgeschichte der „Weltchronik” von Johannes de Utino († 1366) anhand der deutsch-sprachigen Handschriften

Moderation: Freimut Löser, Augsburg

Pause 15.30-16.00

Verklammerungen von Bild und Text

16.00-16.30 Bernhard Schnell, Göttingen
Werkstattgespräch „Medizin“

16.30-17.15 Sven Limbeck, Wolfenbüttel
Bilder als Medien alchemischer Erkenntnis. Das „Buch der Heiligen Dreifaltigkeit“ zwischen Mystik und Fachprosa

17.15-18.00 Stavros Vlachos, Bremen
Ikonographische Besonderheiten und Umdeutungen in Passionstraktaten des späten 15. Jahrhunderts

Moderation: Nigel F. Palmer, Oxford

18.30 Plenarsaal, Abendvortrag von Henrike Manuwald, Göttingen
Bilder und Bildung. ,Volkssprachigkeit‘ in der Frömmigkeitskultur des Spätmittelalters

Moderation: Nicola Zotz, München

Freitag, 9.9.2016

Verklammerungen von Bild und Text

9.00-9.45 Christina Henss, Zürich
‚Machmet ein mörder?‘ Strategien zur Vereindeutigung in Text und Bild in der Episode über Mohammed und seinen christlichen Lehrer in Mandevilles Reisen

9.45-10.30 Ulrike Bauer-Eberhardt, Karl-Georg Pfändtner und Bettina Wagner, München
Kunsthistorische Projekte am Handschriftenerschließungszentrum der Bayerischen Staatsbibliothek

Moderation: Ute von Bloh, Potsdam

10.30-11.00 Pause

Bild und Text im Zeitalter des Medienwandels

11.00-11.45 Catarina Zimmermann-Homeyer, Berlin
‚Der figur klerliche erklerung‘. Didaktik und Ars memorativa in Text und Bild der ersten deutschen Gesamtausgabe der Terenz-Komödien von 1499

11.45-12.30 Elke Anna Werner, Berlin
Die Anschaulichkeit der Geschichte. Bildliche Evidenzstrategien in der Spalatin-Chronik

12.30-13.15 Helmut Puff, Ann Arbor
Bildunterschriften. Wort und Bild im Widerstreit

Moderation: Nikolaus Henkel, Hamburg

13.15-13.30 Jan-Dirk Müller, München: Abschluss

Eine Anmeldung zur Tagung ist erforderlich, da die Teilnehmerzahl begrenzt ist (außer beim Abendvortrag): post@dlma.badw.de

Abendvortrag im Plenarsaal der Bayerischen Akademie der
Wissenschaften:
Prof. Dr. Henrike Manuwald (Göttingen): Bilder und Bildung. ‚Volkssprachigkeit‘ in der Frömmigkeitskultur des Spätmittelalters
Aus organisatorischen Gründen wird um Anmeldung gebeten:
post@dlma.badw.de